Reinhold Schmidt



Meisterkurs Klavier mit Peter Feuchtwanger

Von Reinhold Schmidt (München)

Vom 22. bis 24. Juni 2001 hatte der Landesverband zum dritten Mal zu einer Fortbildung für Pianisten mit Professor Peter Feuchtwanger, London, eingeladen, diesmal nach München, und zwar in die Villa Dietl, weil die Hochschule die zunächst zugesagten Räume für Prüfungen benötigte. Welch glücklicher Umstand! Das herrliche Wetter, die Villa mit ihrem wunderschönen Garten, die großzügige, auch das leibliche Wohl betreffende Gastfreundlichkeit Linde Dietls, der Margarete Kindermann und Andrea Fink so hilfreich zur Seite standen, schafften eine wunderbare Atmosphäre. Ganz großer Dank den drei Damen!

Zu den 30 angemeldeten, davon etwa ein Drittel aktive, kamen noch viele Teilnehmende mit Tageskarten. Über das Phänomen Feuchtwanger und seine Arbeitsweise ist an dieser Stelle wiederholt berichtet worden. Zu diesem Kurs hatte er die Hamburger Heilpraktikerin und Körpertherapeutin Hannelies Finck mitgebracht. Sie konnte den Spielenden im Plenum und mit Privatstunden weiterhelfen, wenn es um die gesamtkörperliche Balance ging, also um Atmung, Hilfe bei Lampenfieber, um eine unverspannte, ruhige, nicht starre Sitzhaltung. Zu letzterem sagt der Begründer der Dispokinesis Klashorst den nachsinnenswerten Satz: "Sitzen ist ein unterbrochenes Stehen, Stehen ist eine Bewegung, die man nicht sieht."

Verglichen mit dem Kurs in Würzburg wurde in München mehr diskutiert, auch über das Thema Bewegungen. "Move it if it is stiff ", so lautet ein Kernsatz der Rolland-Streichermethode. Das gilt auch bei Feuchtwanger (z.B. für den Daumen), aber zusätzliche "Ausdrucks"-Bewegungen von Kopf, Gesicht und Körper sind nicht erlaubt. Sie sind Zeichen einer ungezügelten, übersteigerten Emotion und könnten die Durchlässigkeit, das Loslassen beeinträchtigen. Vielleicht kann ein Hinweis auf eine bekannte Metapher Verständnis fördern. In seinem zum internationalen Margit- Varró-Symposion 1998 in Ungarn gehaltenen Vortrag "Gehör - Fertigkeit - persona, Was wir von Varró lernen können, Gedanken zu einer künftigen Klavierpädagogik" sagt Klaus Runze: "Was das lateinische Wort ‚persona´ betrifft, so scheint es mir in der Verbindung zur Musik entsprechend dem allbekannten Wortstamm, zu dem auch "sonare", "sonor", "Sonate" gehören, von besonderer Bedeutung für die Unterweisung im Klavierspiel. Im eigentlichen Sinn auf die Sprechkunst und auf den Gesang bezogen, gilt es in der Übertragung auf den Bereich alles Instrumentalen auch für die Musikausübung schlechthin: Der Ton, der Klang muss durch den Ausübenden hindurchgehen, wie das Beispiel des antiken Schauspielers bildhaft macht. "persona" bedeutet dort die Maske, durch die der Sprecher die Rolle, die er zu verkörpern hat, darstellt; Hindurchgehen, Hindurchtönen - das bedeutet demnach: durch sich hindurch lassen, durch die Musik zum Ausdruck bringen". Nur ohne zusätzliche Muskelaktivitäten beim Klavierspielen kann eine Empfindung für dieses Hindurchlassen, Hindurchtönen und -strömen entstehen.

Gegenüber Würzburg demonstrierte Feuchtwanger häufiger am Flügel. Das war wohl auch darauf zurückzuführen, daß der Vortrag mancher Werke sich teilweise noch in statu nascendi befand. Aber gerade das machte es für die Zuhörenden so interessant, zu beobachten, wo und wie Feuchtwanger jeweils ansetzte: Beim Spielenden; beim Werk, seinem Umfeld, seiner Form; bei der Aufführungspraxis, z.B. variierte Wiederholung betreffend; beim Ton mit seinen Obertönen (auch dem der historischen Instrumente), beim Klang also; oder ganz basal beim Fingersatz mit seinen Bewegungskonsequenzen.

Auf großes Interesse stieß die Vorführung eines Videos, auf dem Feuchtwanger und sein hervorragender Schüler Frederik Malmqvist die grundlegenden "Klavierübungen" seiner Spielweise sehr eindrucksvoll und überzeugend vorstellen. Im Sommer 2002 kann dieses Video (in leicht verständlichem Englisch) zusammen mit einem deutschen Text und den Notenbeispielen für die Übungen über das Internet erworben werden (www.peter-feuchtwanger.de). Unter Anleitung von Peter Feuchtwanger und den assistierenden Stefan Blido und Manfred Seewann wurden an drei Flügeln die "Klavierübungen" ausprobiert. Wem der gedankliche Ansatz Feuchtwangers gelegentlich zu philosophisch erschienen sein mochte, der hatte hier Gelegenheit zu erleben, wie konkret, praktikabel, heilsam und vergnüglich es sich mit diesen Übungen arbeiten läßt.

Diesem Teil der Fortbildung hätte durchaus mehr Zeit eingeräumt werden können. Aber dem stand die Arbeit an den Werken aus Barock, Klassik und Romantik entgegen. Entdeckungen waren hier Stücke von Czerny und Gottschalk. Feuchtwanger trachtet danach, auch seltener gespielte, ja unbekannte, zu Unrecht vergessene Werke in sein Ausbildungsprogramm miteinzubeziehen. Es wurden viele Literaturhinweise gegeben.

Feuchtwanger erwies sich als schier unermüdlich, stets präsent, geduldig, unverstellt freundlich und höchst kompetent. So erlebte der Kurs wieder einmal seine menschlichen, pädagogischen und künstlerischen Qualitäten, die geprägt sind von profundem Wissen und großer Erfahrung. Sie sind die Basis für seinen "Versuch über die wahre Art das Klavier zu spielen", nämlich ein funktionalnatürliches Verhalten am Klavier zu erreichen und physio- und psychologische Schäden zu heilen. Herzlicher, lang anhaltender Applaus galt allen Dozierenden, besonders aber Maestro Feuchtwanger, den Wunsch unterstreichend, daß er bald wieder nach München kommen möge.

Zuerst veröffentlicht in der NMZ 2001